Ästhetische Erfahrung in Gesprächen über Kunst. Eine empirische Studie mit Fünft- und Sechstklässlern

Dr. Annika Schmidt

Ästhetische Erfahrung in Gesprächen über Kunst.
Eine empirische Studie mit Fünft- und Sechstklässlern

Das Sprechen über Kunst ist fester und zentraler Bestandteil des Kunstunterrichts. Gespräche über Kunst stellen eine geeignete Form dar, um Kunstwerken zu begegnen, diese zu verstehen und ästhetische Erfahrungen zu machen. Doch wodurch zeichnen sich Gespräche über Kunst aus? Wie reden Schüler über Kunst? Und welche ästhetischen Erfahrungsmomente machen sie dabei?

Die qualitative Forschungsarbeit untersucht drei Gespräche über moderne und zeitgenössische Kunstwerke in einer fünften und sechsten Klasse, um Antworten auf diese Fragen zu finden.

Im ersten Teil der Arbeit werden vor dem Hintergrund des aktuellen Forschungsstandes zur Kunstrezeption in der Kunstdidaktik und mit einem interdisziplinären Blick – vor allem in die Literaturdidaktik – der Forschungsgegenstand „Kunstgespräche“ umfassend dargestellt. Ausgehend von linguistischen Einsichten eines Redens über Kunst kann die Sprache in Kunstgesprächen auch für das kunstdidaktische Handlungsfeld konturiert werden. Schließlich werden auf Grundlage philosophischer Überlegungen sowie kunst- und literaturdidaktischer Erkenntnisse Aspekte ästhetischer Erfahrung konkret für Kunstgespräche im Unterricht beschrieben.

Aus dieser theoretischen Auseinandersetzung und der Durchführung einer Vorstudie ergeben sich Kategorien zur Untersuchung von Sprache und ästhetischer Erfahrung. Die transkribierten Gespräche, die in einer fünften und sechsten Klasse durchgeführt wurden, werden sowohl inhaltsanalytisch als auch linguistisch untersucht. So lassen sich in den Kunstgesprächen Momente ästhetischer Erfahrung anhand von Sprachformen feststellen. In Sprachhandlungen wie im Beschreiben, im Begründen und Erklären oder im Deuten und Vermuten zeigen sich ästhetische Erfahrungsmomente wie zum Beispiel Imaginations- und Assoziationstätigkeit, die Verknüpfung subjektiver und objektiver Aufmerksamkeit oder Sinnverstehen. Der Sprachgebrauch der Schüler zeichnet sich vor allem durch ein annäherndes Sprechen aus, das sich in einem nicht-festlegenden, suchenden und erfindenden Sprachmodus ausdrückt. Die Sprache selbst rückt hier in die Nähe ästhetischer Erfahrung – ästhetische Momente wie Offenheit, Verweilen und Spannung zwischen Bild und Wort sind im Reden über Kunst unmittelbar erfahrbar.

Die Rekonstruierbarkeit ästhetischer Erfahrungsmomente in Kunstgesprächen bzw. in der Sprache ermöglicht schließlich, an der Gesprächs- und Sprachpraxis der Schüler anzusetzen und daraus Konsequenzen für das kunstdidaktische Handeln in Rezeptionsprozessen abzuleiten.