Ästhetische Bildung und Identität

Ausgehend von einer interdisziplinäre Arbeitsgruppe der Universität Augsburg, die sich mit den Anforderungen ästhetischer Bildung befasst hat, wird der Frage nachgegangen, wie ästhetische Bildungsprozesse mit welchen Themen und mit welchen Auswirkungen im schulischen Kontext in Gang gesetzt werden können (vgl. Kirchner/ Schiefer Ferrari/ Spinner 2006). Darüber hinaus ist ein intensiver Diskurs über das Verhältnis von ästhetischer Erfahrung und Identitätsentwicklung entstanden. Ziel ist es, Anregungen zu bieten, Unterricht und Schule gemeinsam mit den Lehrkräften in Bezug auf die ästhetische Bildung weiter zu entwickeln, und die Schülerinnen und Schüler in ihrer Identitätsfindung, ihrem Selbstvertrauen und ihrer Ich-Stärke zu unterstützen. Das ästhetische Tun ermöglicht, eigene Gestaltungs- und Ausdruckswege zu finden sowie Vorstellungen und Erlebnisse zum Ausdruck zu bringen, die anders vielleicht nicht formuliert werden können. Ich-Stärke entsteht durch die Erfahrung der eigenen Kompetenz, wenn ich etwas herstelle und hervorbringe - beispielsweise beim Malen, Bauen und Basteln, aber auch beim Schreiben, Erzählen, Tanzen oder Musizieren.

Kinder kommen zunehmend mit unterschiedlichen Eingangsvoraussetzungen in Kindergärten oder Grundschulen. Die ausgeprägte Heterogenität in den körperlichen, sozialen und/ oder kognitiven Lernvoraussetzungen wird nicht nur durch die unterschiedliche kulturelle sowie religiöse Herkunft der Kinder und durch mangelnde Sprachkenntnisse verursacht, sondern auch durch zerrissene Familien, soziale und kulturelle Brüche, die Mediatisierung der Kindheit usw. Sowohl eine einheitliche Grundbildung als auch zugleich eine individuelle Förderung der Kinder ist notwendig, wozu die ästhetische Bildung einen entscheidenden Beitrag leisten kann. Denn z. B. im bildnerisch-ästhetischen Tun zeigen sich keine Differenzen in der Sprache, es zeigen sich weder soziale noch religiöse Unterschiede und auch das intellektuelle Vermögen spiegelt sich kaum in den gestalteten Ergebnissen. Die Kinder haben die Möglichkeit, ihre Befindlichkeiten, Träume, Wünsche und Ängste bildnerisch zum Ausdruck zu bringen und, bei Bedarf, darüber zu reden. Das Bild ist ein universell verständliches Kommunikationsmittel, die Gestaltgebung weitgehend unabhängig von Herkunft und familiärer Prägung.

Doch nicht nur im Vorschul- und Grundschulalter ist die ästhetische Bildung für die Identitätsentwicklung von immenser Bedeutung: In einer Phase, in der Jugendliche sich stark mit der eigenen Identität beschäftigen, in der sie unterschiedliche Daseinsformen, Rollen, Lebensstile erproben und in der sie auf der Suche nach dem Selbst sind bzw. in der sie sich im gesellschaftlichen Kontext selbst verorten müssen, bietet es sich an, sie mit ästhetischen Mitteln auf dem Weg zur Identitätskonstruktion zu unterstützen. Deshalb wir untersucht, inwieweit der bildnerischen Erfahrung und dem Denken in Bildern Anteil an der Konstitution des Selbst und somit der Ich-Identität zukommt.

 

Publikationen

  • Kirchner, Constanze: Identitätsbildung im Kunstunterricht. Selbstinszenierung, Rollenspiele und gestalterischer Ausdruck. In: Hagedorn, Jörg (Hg.): Jugend, Schule und Identität. Selbstwerdung und Identitätskonstruktion im Kontext Schule. Wiesbaden 2014, S. 503-517
  • Kirchner, Constanze: Identität und Ausdruck. Gestalterisches Probehandeln, Selbstinszenierung und Rollenspiele. In: Kunst+Unterricht 366/367/2012, S. 4 - 21
  • Kirchner, Constanze: Ästhetische Bildung im Fach Kunst der Primarstufe. In: Schroedel Kunstportal, Kunstdidaktisches Forum. Februar 2008. URL: http://www.schroedel.de/kunstportal/bilder/forum/2008-02-Kirchner.pdf
  • Kirchner, Constanze: „Welchen Beitrag leistet die Kunstpädagogik zur Persönlichkeitsentwicklung?“ In: Billmayer, Franz (Hg.): Angeboten. Was die Kunstpädagogik leisten kann. München 2008, S. 94 - 111
  • Kirchner, Constanze/ Schiefer Ferrari, Markus/ Spinner, Kaspar H.: Ästhetische Bildung und Identität. In: Kirchner, Constanze/ Schiefer Ferrari, Markus/ Spinner, Kaspar H. (Hg.): Ästhetische Bildung und Identität. Fächerverbindende Vorschläge für die Sekundarstufe I und II. München 2006, S. 11 - 33
  • Kirchner, Constanze: Identitätskonstruktionen im Umgang mit Werken von Cindy Sherman – Vorschläge zu symbolischem Verstehen und produktiver Auseinandersetzung. In: Kirchner, Constanze/ Schiefer Ferrari, Markus/ Spinner, Kaspar H. (Hg.): Ästhetische Bildung und Identität. Fächerverbindende Vorschläge für die Sekundarstufe I und II. München 2006, S. 141 - 168
  • Kirchner, Constanze: Kreativität, Heterogenität und Bildungserfolg. Zu den Potenzialen ästhetischer Bildung für die Identitätsentwicklung. In: Brög, Hans/ Foos, Peter/ Schulze, Constanze (Hg.): Korallenstock. Kunsttherapie und Kunstpädagogik im Dialog. München 2006, S. 187-200
  • Kirchner, Constanze: Identitätsbildung durch Sammeln, Ordnen, Bauen, Basteln, Konstruieren. In: Gaus-Hegner, Elisabeth/ Mätzler Binder, Regine (Hg.): Technisches und Textiles Gestalten. Fachdiskurs um Kernkompetenzen. Zürich 2005, S. 32 - 49
  • Kirchner, Constanze: Kunst, Kultur und Identität - "Welthingabe" als Voraussetzung ästhetischer Bildung. In: Mühleisen, Hans-Otto/ Stammen, Theo/ Ungethüm, Michael (Hg.): Anthropologie und Kulturelle Identität. Festschrift für Friedemann Maurer. Lindenberg/ Allgäu 2005, S. 259 - 277